Adipositas in der Schweiz

Adipositas und Übergewicht stellen in der Schweiz und Weltweit ein zunehmendes Gesundheitsproblem dar. Die Folgen sind weitreichend und betreffen nicht nur die individuelle Gesundheit, sondern auch das Gesundheitssystem und die Gesellschaft insgesamt. Dieser Artikel bietet einen Einblick in die Prävalenz, die verwendeten Messinstrumente, die gesundheitlichen Auswirkungen und die Lösungsstrategien im Kampf gegen Adipositas.

Prävalenz von Adipositas und Übergewicht

In der Schweiz sind Übergewicht und Adipositas weit verbreitet. Im Jahr 2016 waren 66,2% der Männer und 49,9% der Frauen übergewichtig. Die Raten für Adipositas betrugen 23,7% bei Männern und 18,8% bei Frauen. Seit 1992 haben die Fälle von Übergewicht bei Erwachsenen um mehr als 12% zugenommen, Adipositas um knapp 10%. Auch bei Kindern zeigt sich ein Anstieg von fast 5% bei Übergewicht. Diese Zahlen sind alarmierend und signalisieren dringenden Handlungsbedarf.

Diagnose von Übergewicht und Adipositas

Die Bewertung von Übergewicht und Adipositas erfolgt durch verschiedene Methoden, jede mit ihren Vor- und Nachteilen:

Body Mass Index (BMI): Der BMI ist eine weit verbreitete Methode, die das Körpergewicht in Kilogramm durch die Körpergrösse in Metern zum Quadrat teilt. Obwohl der BMI einfach zu berechnen ist, unterscheidet er nicht zwischen Fett- und Muskelmasse und macht keine Aussage über die Fettverteilung. Ein BMI von 25 bis 29,9 wird als Übergewicht und ein BMI von 30 oder höher als Adipositas klassifiziert

Waist-Hip Ratio (WHR): Dieses Mass bewertet das Verhältnis von Taillenumfang zu Hüftumfang und gibt Auskunft über die Fettverteilung im Körper. Ein WHR über 0,90 bei Männern und über 0,85 bei Frauen wird allgemein als Indikator für Adipositas angesehen Es ist jedoch zu beachten, dass ein hoher Taillenumfang durch einen ebenso hohen Hüftumfang kompensiert werden kann. Da die WHR zwei Werte beinhaltet, die anfällig für Fehlmessungen sind, können hier relativ einfach Messfehler passieren.

Waist-to-Height Ratio (WHtR): Die Methode misst das Verhältnis von Taillenumfang zu Körpergrösse. Sie wird als vorteilhaft angesehen, da sie leicht zu messen ist und möglicherweise genauere Informationen über Gesundheitsrisiken liefert als der Body Mass Index (BMI), insbesondere im Hinblick auf viszerales Fett. Ein Wert von 0,5 oder höher wird allgemein als Indikator für Übergewicht und somit als ein erhöhtes Gesundheitsrisiko angesehen. Auch hier können durch eine ungenaue Messposition Messfehler auftreten.

Waist Circumference (WC): Der Taillenumfang ist eine einfache und schnelle Methode zur Einschätzung des viszeralen Fettgewebes, das mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere Gesundheitsprobleme verbunden ist. Ein Taillenumfang von über 102 cm bei Männern und über 88 cm bei Frauen deutet auf ein erhöhtes Gesundheitsrisiko hin. Auch hier können Messfehler passieren.

Gesundheitliche Auswirkungen von Adipositas

Adipositas ist mit zahlreichen gesundheitlichen Problemen verbunden und wird oft als „Eintrittspforte der Multimorbidität“ bezeichnet. Die Prävalenz von Multimorbidität liegt bei Personen über 75 mit Normalgewicht bei 8,3%, bei adipösen Personen jedoch bei erschreckenden 53,3%. Zu den mit Adipositas verbundenen Krankheiten zählen:

  • Diabetes mellitus Typ 2: Übergewicht und Adipositas erhöhen das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, da sie die Insulinresistenz fördern.
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Hoher Blutdruck, Schlaganfall und koronare Herzkrankheit sind häufige Folgen von Adipositas.
  • Krebs: Es gibt Hinweise darauf, dass Übergewicht und Adipositas das Risiko für bestimmte Krebsarten, wie Brust-, Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs erhöhen.
  • Atemwegserkrankungen: Adipositas kann zu Schlafapnoe und anderen Atemwegserkrankungen führen.
  • Nichtalkoholische Fettleber: Das überschüssiges Fett im Körper wird auch in der Leber gespeichert, was zu Entzündungen und langfristigen Leberschäden führen kann.
  • Muskel- und Skelettkomplikationen: Übergewicht belastet die Gelenke und kann zu chronischen Schmerzen und Arthrose führen.
  • Chronische Nierenerkrankungen: Adipositas erhöht das Risiko für Nierenschäden und -versagen.

Zusätzlich sind psychische Belastungen wie Stigmatisierung, psychische Störungen, schlechtere Berufsaussichten und niedrigeres Gehalt häufige Begleiterscheinungen.

Relevanz für die öffentliche Gesundheit

Die hohe Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in der Schweiz stellt eine ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar. Menschen mit einem BMI über 35 kg/m² leben im Durchschnitt sechs bis sieben Jahre weniger in guter Gesundheit. Die finanziellen Auswirkungen von Adipositas sind erheblich: 80% der schweizer Gesundheitskosten werden durch Krankheiten verursacht, die durch falsche Ernährung begünstigt werden. Im Jahr 2002 beliefen sich die Kosten auf 2,7 Milliarden CHF, stiegen 2007 auf 5,8 Milliarden CHF und erreichten 2012 8 Milliarden CHF.

Lösungsstrategien und Präventionsmassnahmen

International

Die WHO empfiehlt einen Paradigmenwechsel in den Public Health-Strategien, weg von der individuellen Verantwortung hin zu einer stärkeren politischen und strukturellen Beteiligung. Empfohlen werden verbesserte Stadtplanungen, steuerliche Anreize zur Reduzierung ungesunder Lebensmittel und verstärkte Zusammenarbeit zwischen Politik und Gesundheitssektoren. In der Europäischen Union werden ähnliche Strategien verfolgt. Die EU-Kommission unterstützt ihre Mitgliedstaaten bei der Prävention von nichtübertragbaren Krankheiten durch die Förderung gesunder Ernährung und körperlicher Aktivität. Projekte und Vorschriften zur Steigerung der Gesundheitskompetenz und des Ernährungswissens sind in Kraft, darunter der Kennzeichnungspflicht für vorverpackte Lebensmittel und klarer Nährwert- und Gesundheitsbehauptungen (Health Claims). Das „School Scheme“ der EU unterstützt lokale Projekte zur Verteilung von frischem Obst, Gemüse und Milchprodukten an Schulkinder und setzt EU-weite Regeln zur Regulierung der Darstellung ungesunder Ernährung in Kinderprogrammen um.

Schweiz

In der Schweiz ist die aktive Prävention von Übergewicht und Adipositas ein zentraler Bestandteil der Public Health-Strategie. Institutionen wie Public Health Schweiz und die Allianz Ernährung und Gesundheit arbeiten sektorenübergreifend, um gesundheitsfördernde Massnahmen auf politischer Ebene voranzutreiben.

Die seit 2017 laufende Schweizer Ernährungsstrategie zielt darauf ab die Ernährungskompetenz der Bevölkerung zu stärken und den Zugang zu gesunden Lebensmitteln zu erleichtern. In diesem Rahmen wurden bereits erfolgreiche Aktionen durchgeführt, darunter Initiativen zur Zuckerreduktion in Lebensmitteln, Informationskampagnen speziell für ältere Menschen und Massnahmen zur Förderung von gesundem Essen in Schulen. Kantonale Aktionsprogramme und Initiativen der Krankenkassen unterstützen diese Bemühungen.

 

 

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Rezepte

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